Southend-on-Sea wurde erst im März 2022 zur Stadt erhoben. Als Seebad hat der Ort an der Nordseite der Themsemündung aber eine wesentlich längere Geschichte. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckten die betuchteren Londoner die Freuden des Strandlebens dort. Da die Gezeiten an der Themsemündung sehr ausgeprägt sind und der Strandverlauf sehr flach ist, konnten Besucher aber nur schlecht mit dem Boot anreisen.
Deswegen wurde bereits im Jahr 1830 eine hölzerne Landungsbrücke errichtet, an der man immerhin bei Flut anlegen konnte. Diese wurde später verlängert und 1889/90 durch eine gußeiserne Konstruktion ersetzt. Zu diesem Zeitpunkt war Southend-on-Sea auch per Eisenbahn zu erreichen und ein sehr beliebtes Seebad. Auf dem Pier fuhr eine elektrische Bahn, die Reisende von Vergnügungsdampfern nach Southend und zurück beförderte – die erste Piereisenbahn der Welt.
Sie fährt heute noch. Und zwar auf dem nach wie vor längsten Vergnügungspier der Welt. 1,33 Meilen ist er lang, das sind etwa 2,15 Kilometer. Darauf ist man hier sehr stolz.
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Ein Besuch auf dem Southend-Pier
Wie alle Vergnügungspiers in England kostet auch der in Southend-on-Sea Eintritt. Der fällt allerdings mit 3 Pfund pro Nase (Stand: 2024) recht moderat aus. Nur wenn man eine oder beide Fahrten mit dem Zug zurücklegen will, wird es etwas teurer. Öffnungszeiten und Preise könnt ihr vor eurem Besuch auf der Website des Southend-Piers nachlesen.
Sobald man den Obolus entrichtet hat, geht es hinauf und hinaus auf den Pier.
Bei unserem ersten Besuch herrschte Ebbe. Wie klein der Pierkopf in der Ferne wirkt …
Als echte Meerwanderer haben wir natürlich auf die Zugfahrt verzichtet und sind fröhlich losmarschiert. Gelegentlich wurden wir von einem Zug überholt.
Sir William Heygate, nach dem dieser Zug benannt ist, lebte übrigens im 19. Jahrhundert. Er war Baron von Southend und Bürgermeister von London und hatte sich sehr für den Bau des Piers in Southend-on-Sea eingesetzt.
Schließlich kommt der Zielbahnhof in Sicht.
Wer vom Pierspaziergang oder der Zugfahrt schon ganz erschöpft ist, kann sich hier mit Eis, Süßkram oder Fish’n’Chips stärken.
Auf dem Kopf des Piers von Southend-on-Sea
Da es immer wieder mal Brände gab und auch mal ein Schiff gegen den Pierkopf krachte, ist von den Gebäuden aus der Anfangszeit nichts mehr übrig geblieben. Zumindest im alten Stil gebaut ist noch der kleine Tearoom, der den hübschen Namen Tea wih the Tide trägt.
Drinnen gibt es wirklich gutes Gebäck …
… und viele Fotos von Jamie Oliver, dem wohl bekanntesten britischen Fernsehkoch.
Das liegt daran, dass er in dieser besonderen Location mehrere Staffeln seiner Friday Night Feast gedreht hat.
Auf dem eigentlichen Pierkopf liegen dann noch diese Picknickhalle, eine Minigolfanlage, eine Schiffsanlegestelle und die Rettungsbootstation.
Glückwünsche gibt es auch:
Die Royal National Lifeboat Institution (RNLI) ist eine gemeinnützige, von Ehrenamtlichen getragene Seenotrettungsorganisation, die sich vor allem durch Spenden finanziert.
Sie betreibt auf dem Southend-Pier eine Rettungsbootstation und einen kleinen Laden nebst einem Mini-Museum. Im Laden gibt es nette Mitbringsel (Tee, Schokolade, Schlüsselanhänger, Magneten, Geschirrtücher, Puzzles usw.) zu kaufen. Mit ihrem Erwerb unterstützt man diese verdienstvolle Organisation.
Wenn man die Treppe hinaufgeht, gelangt man auf ein Sonnendeck.
An seinem Ende stehen eine Bank und eine Glocke. Der Blick schweift von hier weit hinaus auf die Themsemündung und zum Meer. Ein sehr schönes Plätzchen.
Allerdings kann man hier am Wochenende eher nicht ruhig sitzen. So weit ich das beobachten konnte, ist es nämlich für britische Besucher ein Muss, die Glocke zu läuten und ein Foto davon zu machen. 🙂
Der Blick zurück lohnt sich übrigens auch:
Damit haben wir den gesamten Pier erkundet und können uns auf den Rückweg nach Southend-on-Sea machen. Vielleicht noch unterbrochen von Tea und Gebäck bei Tea with the Tide oder einer Portion Fish & Chips.
Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten in Southend-on-Sea
So en vogue wie früher ist Southend-on-Sea heute nicht mehr, aber noch immer kommen die Londoner am Wochenende, um sich auf dem Pier und am Strand zu vergnügen. Mir hat besonders gut gefallen, dass es sich um ein rein britisches, absolut authentisches Vergnügen handelt: Hier gibt es praktisch keine ausländischen Touristen, da dieses alte Seebad im Ausland so gut wie unbekannt ist.
Für Familien: Adventure Island
Sehr beliebt ist Adventure Island, ein Vergnügungspark am Fuße des Piers. Er geht auf einen bereits 1918 eröffneten Vorläufer namens Sunken Gardens zurück.
Die pink-gelbe Achterbahn ist, zumindest dem Gekreische nach zu urteilen, ziemlich krass. Getoppt wurde der Kreischlevel nur von diesem „Hammerteil“:
Adventure Island hat übrigens ein ungewöhnliches Preiskonzept: Der Eintritt ist frei, man zahlt für eine Fahrtenkombination oder kann ein Armband (day band) erwerben, das am Gültigkeitstag unbegrenzt viele Fahrten erlaubt.
Für Herumgucker: Sightseeing-Bustour
Am Wochenende halten vor dem Pier die oben offenen Sightseeing-Busse der Linie 68.
Für 6,50 Pfund (2024) kann man mit ihnen eine nette Rundfahrt durch die westlichen Gemeindeteile Westcliff und Leigh-on-Sea machen.
Man kann unterwegs aussteigen, sich ein bisschen umsehen und mit dem nächsten Bus weiterfahren. Ich habe diese Gelegenheit genutzt, um mir Leigh-on-Sea etwas genauer anzusehen. Der Strand dort ist recht überschaubar, aber es gibt eine nette „Fressmeile“ mit Cafés und Restaurants. Weiter westlich liegen die Leigh Marshes, eine faszinierende Salzmarsch-Landschaft voller Schiffswracks. Ein toller Ort für Fotografen!
Für Bootsfans: Eine Tour durch die Themsemündung
Vom Pierkopf aus starten mehrere Ausflüge per Boot mit Jetstream Tours. Eine davon habe ich mitgemacht, diese habe ich in einem eigenen Post über meine Bootstour zu den Maunsell-Forts in der Themsemündung genauer beschreiben.
Für alle: der Themsestrand
Das Strandleben konzentriert sich am Wochenende auf den Abschnitt direkt neben dem Pier und dem Vergnügungspark.
Dabei wird es schon weniger Meter weiter deutlich ruhiger.
Wie kommt man nach Southend-on-Sea?
Von London aus besteht eine gute Zugverbindung nach Southend-on-Sea. Die Züge von Greater Anglia fahren etwa eine Stunde bis Liverpool Street Station.
Zum Flughafen Stansted fährt der Bus XC30 (Essex airlink). Er benötigt knapp 2,5 Stunden und klappert viele Haltestationen ab, ist mit 17 Pfund pro Person (einfache Fahrt) aber recht preiswert.