Heute ist Étretat einer der berühmtesten Orte Frankreichs, aber bis Mitte des 19. Jahrhunderts war es nur ein einfaches Fischerdorf an einer Bucht, die einen natürlichen Hafen bildet. Als Seebad wurde es erst relativ spät entdeckt, aber der Tourismus gewann enorm an Schwung, als 1890 eine Bahnlinie gebaut wurde. Daher gibt es heute noch etliche hübsche Villen aus der Belle-Époque, die das Ortsbild prägen.
Natürlich gibt es auch viele Souvenir- und Spezialitätenläden, Cafés und Restaurants.
Ich habe allerdings keine Lokalempfehlung für euch, da ich trotz mehrerer Besuche dort nur einmal in Étretat gegessen habe, und das war in der Qualität mäßig, dafür hoch im Preis.
Die Hauptsehenswürdigkeit ist der Strand mit seiner Promenade zwischen den berühmten Klippen und Felsbögen. Im Osten der Bucht von Étretat liegt die Falaise d’Amont mit einem kleinen Felsentor.
Eine Treppe, die in einen steilen, steinigen Weg übergeht, führt hinauf auf die Klippe und zur neugotischen Kapelle Notre-Dame-de-la-Garde. Für alle, denen der Aufstieg zu beschwerlich ist, fährt eine kleine Bahn (petit train touristique) vom Rathaus hinauf, in der Hochsaison im Halbstundentakt. Hier findet ihr die Preise und Abfahrtszeiten des Petit Train d’Étretat.
Von der Klippe hat man den besten Blick auf die im Westen der Bucht liegende Porte d’Aval mit der Felsnnadel (Aiguille) davor. Übrigens ist das auch ein sehr schöner Platz, um den Sonnenuntergang zu beobachten.
Wenn man sich nach dem Aufstieg auf die Falaise d’Amont vor der Kapelle rechts hält, gelangt man zu den Jardins d’Étretat.
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Kunstvoll: die Gärten von Étretat
Erstaunlicherweise sind die Gärten von außen praktisch unsichtbar, obwohl man beim Aufstieg direkt an ihnen vorbeigeht. Auch von der Kapelle aus sieht man nur das Kassenhäuschen und diese Infotafel, hinter der sich der Eingang verbirgt:
Eigentlich handelt es sich um nur eine Gartenanlage, die um ein Haus, die Villa Roxelane, angelegt wurde. Da sie in einzelne Parzellen eingeteilt ist, in denen jeweils ein Thema im Vorgrund steht (zum Beipiel ein Zen-Garten und ein Garten der Emotionen), spricht man aber von den Gärten bzw. Jardins im Plural.
Haus und Garten gehen zurück auf das Jahr 1905, als Étretat bei wohlhabenden Parisern sehr en vogue war. Eine damals berühmte Schauspielerin erwarb das Hanggrundstück, ließ die Villa errichten und einen Garten anlegen, der von der impressionistischen Malerei inspiriert war.
Vom Garten war wohl nicht mehr sehr viel übrig, als der Landschaftsarchitekt Alexandre Grivko ihn im Jahr 2017 wiederentdeckte und im „neo-futuristischen Stil“ neu gestaltete. Dazu verband er typisch französisch zurechtgeschnittene Heckenelemente (etwa in Form von Wellen oder Spiralen) mit zeitgenössischen Kunstwerken.
Der Garten wirkt dadurch gleichzeitig labyrinthisch und übersichtlich, geheimnisvoll und geordnet, kreativ und strukturiert. Ich finde ihn toll!
Im Zen-Garten fand ich die Figur La Pluie (der Regen) von Nazar Bilyk, einem ukrainischen Künstler, besonders ansprechend. Sie steht auf einer von Bambus umgebenen Terrasse.
Wirklich schräg ist die Installation des russischen Künstlers Sergey Katran, bei der ein „neo-babylonischer Dialog“ zu hören und zu sehen ist: Man hört das Wort „Kunst“ in 125 verschiedenen Sprachen. Dazu sieht man in den Bäumen hängende Terrakottaformen, die den Schallwellen entsprechen, die bei der Aussprache dieser „Kunst-Wörter“ entstehen.
Die begehrtesten Foto-Objekte sind aber zweifellos die Regentropfen von Samuel Salcedo im Jardin des Emotions: Sie sehen aus wie Babyköpfe und zeigen unterschiedliche Emotionen, deren Interpretation dem Betrachter überlassen bleibt.
Ein Besuch in diesen Gartenräumen wirkt sehr entspannend, das scheint auch für Katzen zu gelten.
Ein kleines Gartencafé gibt es übrigens auch.
Die Öffnungszeiten und Preise findet ihr auf der Website der Jardins d’Étretat.
Àpropos Kunst
Étretat verdankt seine Berühmtheit auch den Malern, die es verweigt haben. Allen voran Claude Monet, der die Felsentore malte. Seine Bilder sind heute stolz an der Strandpromenade aufgestellt.
Spannend für Lupin-Fans: le Clos Arsène Lupin
Das Haus ist ein originaler Literaturort, denn der Schriftsteller Maurice Leblanc lebte darin ab 1918. Er schrieb dort an seinen Geschichten um den Gentleman-Dieb Arsène Lupin und verwickelte die Felsnadel von Étretat in eine wilde Story um den Schatz der französischen Könige. Zumindest in Leblancs blühender Fantasie ist die Aiguille nämlich hohl, über einen Geheimgang von der Falaise d’Aval aus zu erreichen und diente jahrhundertelang als Schatzversteck.
Das großzügige Anwesen beherbergt heute ein sehr ungewöhnliches Museum.
Man kann es nur in kleinen Gruppen mit zeitlichem Abstand besuchen. Geführt wird man von einem Audioguide, den es auch auf Deutsch gibt. Zunächst geht es in das spärlich beleuchtete Arbeitszimmer von Maurice Leblanc, in dem einen der Schriftsteller persönlich begrüßt.
Aber schon bald mischt sich Arsène Lupin ein und übernimmt selbst die Führung, die den Besucher Schritt für Schritt dem Geheimnis des Meisterdiebs und der hohlen Nadel näherbringt. Eine ganz besondere Besichtigungstour, die uns viel Spaß gemacht hat!
Hier findet ihr die Öffnungszeiten und Preise zu Le Clos Arsène Lupin.
Praktische Tipps für euren Besuch in Étretat
Parkplätze im Ort sind knapp und teuer. Bequem und kostenlos parkt man am Ortsrand an der Route de Criquetot l’Esneval (GPS 49.698245, 0.217666). Von dort sind es etwa 1,5 Kilometer bis zum Strand, man spart sich aber viel Herumgegurke.
Oder man reist mit dem Bus an. Von Le Havre aus beispielsweise fährt die Linie 13 stündlich, die Fahrt dauert ca. eine Stunde. Die schönste Art der Annäherung an das berühmte Seebad ist aber die zu Fuß, nämlich als Küstenwanderung von Yport nach Étretat.
Grundsätzlich sollte man nicht unbedingt im Juli oder August nach Étretat reisen, wenn das Seebad voller Touristen ist. Der Ansturm ist aufgrund der erfolgreichen Serie Lupin mit Omar Sy in den letzten Jahren nämlich nochmals größer geworden. Im Frühjahr oder Herbst ist ein Aufenthalt dort wesentlich entspannter.
Den Aussichtspunkt an der Kapelle Notre-Dame-de-la-Garde findet ihr übrigens auch unter den 80 Glücksorten in der Normandie, die ich gemeinsam mit Hilke Maunder gesammelt habe. Wenn ihr die übrigen 79 Orte entdecken möchtet, könnt ihr das Buch Glücksorte in der Normandie: Fahr hin und werd glücklich über diesen Link direkt bei Amazon bestellen (Partnerlink*).
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