Südengland
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Faszinierend: die Maunsell Forts in der Themsemündung

Die Maunsell-Forts - Redsand Towers in der Themsemündung

Die Maunsell Forts sind Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg und stehen an der britischen Ostküste vor der Themsemündung. Sie sind ein faszinierendes, aber auch ein bisschen gruseliges Ausflugsziel für eine Bootstour. Ich habe dorthin eine Halbtagesfahrt mit dem Anbieter Jetstreamtours von Southend-on-Sea aus gemacht (keine Werbung, auch bei Namensnennung, denn selbstverständlich habe ich die Tour selbst bezahlt und erhalte keinerlei Vergütung von Jetstreamtours, die derzeit der einzige Anbieter von Southend aus sind).

Was sind die Maunsell Forts?

Es handelt sich um Stahltürme, die auf jeweils vier Beinen mittig vor der Themsemündung im Ärmelkanal stehen.

Benannt sind sie nach ihrem „Schöpfer“, dem Bauingenieur Guy Maunsell. Oft werden sie auch Redsand Towers genannt, nach der Sandbank, auf der sie stehen. Sie wurden 1942 als Teil der Verteidigungsanlagen gegen deutsche U-Boot- und Luftangriffe erbaut und in den 50er-Jahren aufgegeben. In den 60er-Jahren wurden die ehemaligen Seefestungen von Piratensendern als Studios genutzt, dann aber endgültig verlassen. Entsprechend verwahrlost und verrostet sind sie inzwischen …

Turm in einem der Maunsell Forts in der Themsemündung

Ursprünglich gab es noch mehr solcher Sea Forts, und zwar in unterschiedlichen Typen. Guy Maunsell entwarf die nach ihm benannten futuristischen Anlagen aus einem Stahlturm, um den sich sechs weitere gruppieren. Verbunden waren sie durch stählerne Brücken.

Inzwischen wurden einige dieser Anlagen abgebaut, manche auch, weil Schiffe mit ihnen kollidiert waren. Die Redsands Towers exisitieren aber noch vollständig (bis auf die Verbindungsbrücken), wenn auch in schlechtem Zustand. Eine private Inititive namens Project Redsand hat sich dieses Maunsell Forts angenommen. Sie versucht, Geld aufzutreiben, um die Türme zu konservieren und für zukünftige Generationen als Anschauungsobjekte zu erhalten.

Eine Bootstour zu den Maunsell Forts von Southend-on-Sea aus

Gebucht habe ich das Ticket über die Website des Anbieters. Mit dem Ticket kommt man auch kostenlos auf den Southend-Pier, an dessen Ende sich die Bootsanlegestelle befindet. Da der Pier rund 2 Kilometer lang ist, solltet ihr genug Gehzeit einplanen, um rechtzeitig vor Abfahrt da zu sein.

auf dem Southend-Pier
Ausflugsschiff von Jetstreamtours am Southend-Pier

Drinnen gibt es Plastiksitze und eine kleine Bar, an der man Getränke und Snacks kaufen kann. Außer mir waren nur Briten an Bord, von denen einige während der Fahrt sehr liebevoll vorbereitete Picknickpakete auspackten und verzehrten.

Man muss aber nicht aus lauter Langeweile essen, denn unterwegs gibt es einiges zu sehen. Zur Linken, vor dem Strand des Southend-Ortsteils Shoeburyness, liegen zum Beispiel diese Reste eines Mulberry-Hafens.

Mulberry Harbour vor Southend-on-Sea

Solche Mulberry Harbours gibt es auch vor der normannischen Kanalküste. Sie wurden von den Allierten im Zweiten Weltkrieg als künstliche Häfen gebaut, um dort Nachschub anlanden zu können. Der hier ist in eher schlechtem Zustand.

Mulberry-Hafen in der Themsemündung

Die zaunartige Konstruktion im Hintergrund ist ebenfalls ein Überbleibsel der Verteidigungsanlagen aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie sollte die Einfahrt von Minenleger-U-Booten in die Themsemündung verhindern.

Nach dem Passieren des Zauns kommen erstmals, ganz klein am Horizont (links neben dem Schiff), die Maunsell Forts in Sicht:

unterwegs zu den Maunsell Forts

Langsam rücken sie näher.

Segelboot vor den Redsands Towers
Das Maunsell Fort Redsands in der Themsemündung

Eine Runde um die Maunsell Forts

Da die See etwas kabbelig war, war das Fotografieren gar nicht so einfach. Außerdem standen natürlich die meisten Passagiere mit ihren Kameras und Handys draußen, als der Kapitän die Seefestung umkreiste.

mit dem Boot zu den Maunsell-Forts

Ein paar gute Aufnahmen sind mir dennoch gelungen.

Turm des Maunsell Forts Redsands
Detailaufnahme Maunsell Forts

Ich fand die Türme bei genauer Betrachtung gleichermaßen interessant wie unheimlich. Man kann sich kaum vorstellen, dass die Soldaten, die sie bemannten, jeweils sechs Wochen am Stück dort draußen im Nirgendwo verbringen mussten. Auch bei Nebel oder Sturm. Danach durften sie zwar für zehn Tage an Land. Aber das kann ja kaum ein Ausgleich für die lange Isolation auf so engem Raum, mit spartanischer Ausstattung und ständiger Angst vor Angriffen, gewesen sein.

Unter den Türmen des Maunsell Forts in der Themsemündung
zwei Türme der Seefestung Redsands - ein Maunsell Fort - in der Themsemündung

Nach einigen Umrundungen der Seefestung ging es wieder zurück, Richtung Southend-Pier. Allerdings auf einer weiter südlich verlaufenden Route, denn es gibt noch eine weitere „Sehenswürdigkeit“ im Bereich der Themsemündung zu bestaunen: ein Schiffswrack.

Explosive Sehenswürdigkeit: Das Wrack der SS Richard Montgomery

Viel gibt es allerdings nicht zu sehen: nur noch zwei Mastenden und einen Haufen Bojen drumherum.

Masten eines Schiffswracks in der Themsemündung

Bis vor Kurzem sah man wohl noch mehr und vollständige Masten. Die wurden aber im Sommer 2022 entfernt, weil man befürchtete, sie könnten eine Explosion auslösen, wenn sie endgültig durchrosten und auf das Wrack krachen. Tatsächlich ist diese Geschichte noch viel gruseliger als die der Maunsell Forts:

Das US-amerikanische Schiff SS Richard Montgomery war nämlich mit 7.000 Tonnen Munition beladen und sollte sich im August 1944 einen Konvoi nach Cherbourg anschließen. Es bekam einen Ankerplatz zugewiesen. Dann passierte ein folgenschwerer Fehler: Man ankerte versehentlich auf einer Sandbank, was man wohl erst bemerkte, als Ebbe herrschte und das Schiff mittig aufsaß. Alle Bemühungen, es wieder flott zu bekommen, scheiterten. Außerdem riss der Rumpf auf, wodurch das Schiff schließlich in zwei Teile zerbrach.

Bis das Wrack vollständig überflutet war, konnte zwar ein Großteil der explosiven Ladung abtranportiert werden. Aber etwa 1.500 Tonnen Munition sind noch an Bord. Und sie sind nach wie vor gefährlich. Würde zum Beispiel ein Schiff mit dem Wrack zusammenstoßen, könnte das eine riesige Explosion und eine Flutwelle verursachen, die bis nach London hineinschwappt. Deswegen gibt es die vielen Bojen und eine 24-Stunden-Überwachung.

Fazit zur Bootstour zu den Redsand Towers in der Themsemündung

Die Tour ist interessant und das keineswegs nur für Menschen, die sich auch sonst intensiv mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs beschäftigen. Man erlebt zudem die riesige Themsemündung aus einer anderen Perspektive – ich war erstaunt, wie klein der Pier auf einmal wirkte.

Die Fahrzeit beträgt insgesamt etwa drei Stunden. Die Touren werden vom Kapitän kommentiert, und zwar ausschließlich auf Englisch.

Über Southend-on-Sea und den längsten Vergnügungspier der Welt habe ich bereits einen Blogpost verfasst.

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